zurückTag 11: Der letzte Akt

Während wir vor unserem Zelt sitzen und den Tag mit Tee und Blick auf den Fluss beginnen, kommt ein Ungar angefahren und macht uns freundlich darauf aufmerksam, dass das Zelten hier 100 Forint kostet, die wir bitte am Kiosk entrichten. Dafür gäbe es dann dort eine Toilette und Dusche. Das hätte man uns mal gestern Abend sagen sollen... Brav entrichten wir also unseren ca. 30 Cent Obolus und genießen direkt noch zwei Cappuccino - hier sogar aus echten Gläsern. Dann packen wir ein und machen uns auf zum letzten Paddeltag.

Diesen unterbrechen wir in Szentendre - einer Kleinstadt ca. 15 km vor Budapest. Wäre es etwas weniger rummelig, wäre es wirklich sehr nett hier. Es gibt schöne Straßencafes (mit Sofas an der Straße) und witzigerweise hängen überall bunte Lampenschirme über den Straßen. Was es damit auf sich hat, finden wir allerdings nicht heraus. Hier erstehe ich auch mein Ungarn-Souvenir - einen Schal in Regenbogenfarben. Die Verkäuferin fragt mich, ob wir mit dem Rad hier sind (vielleicht rieche ich so???). Ich verneine und erzähle, dass wir mit Kajaks hier sind. "Aus Budapest?", "Nein, aus Wien!", "Wow!!!". Irgendwie erstaunt es die Leute immer wieder was wir machen... 

Auf dem letzten Teil unserer Kajak-Reise ist es dann vorbei mit der Ruhe und dem sanften "Platsch, platsch" unserer Paddelschläge. Hier sind jede Menge Motorboote mit diversesten Anhängseln - vom Wasserskifahrer bis zum Plastik-Zweiersofa - unterwegs. Nun wiederum sind wir erstaunt, was man so machen kann (und offensichtlich toll findet...). Die Motorboote düsen ganz schön dicht an uns vorbei und ich überlege, wann es wohl der Erste schaffen wird, mich mit seiner Heckwelle zu duschen. 

Kurz vor Budapest landen wir an, um hinter dem Deich nach dem von Google Maps versprochenem Campingplatz zu suchen. Dass der freundliche Ungar, der Holger beim Boot aus dem Wasser ziehen hilft, meint, dass hier nirgendwo ein Camping sei, macht uns schon etwas stutzig... Holger macht sich zu Fuß auf den Weg, ich bleibe auf dem Wasser und warte bei den Booten. Nach ca. 20 Minuten (ich denke schon über eine Vermisstenanzeige nach) kommt Holger wieder - sein Gesichtsausdruck verheißt nichts Gutes. Der Campingplatz ist zwar bei Google Maps eingetragen und hat auch eine aktive Webseite, aber in der Realität ist er verwahrlost und geschlossen. Google weiß halt doch (noch) nicht alles...! Eigentlich ja ganz positiv, aber grade finde ich das nicht witzig - in ca. einer dreiviertel Stunde wird es dunkel sein und wir haben nicht den Hauch eines Plans, wo unsere Boote und wir heute Nacht bleiben können. Also erstmal weiter und das Handy auf dem Fluss raus, um zu schauen, was wir machen können. Das Botel, an dem wir vorbeipaddeln liefert online leider weder Infos zu Preisen noch zur Verfügbarkeit, außerdem sind wir dann doch zu schissig, die Kajaks hier einen ganzen Tag einfach am Strand liegen zu lassen. Laut Google soll es aber ca. 2 km weiter einen kleinen Camping relativ nah am Wasser geben. Hier paddeln wir hin und Holger klettert den Deich hoch - inzwischen ist es schon ziemlich dämmrig und ich hoffe, dass sein Gesichtsausdruck beim Wiederkommen besser sein wird als vorhin. Recht schnell ist er wieder da - es gibt dort wohl irgendwas, nur das Hintertörchen ist zu und man muss ca. 10 min außen rum. Holger joggt also los und macht tatsächlich unseren Übernachtungsplatz klar. Irgendwie klappt es erstaunlicherweise dann ja doch immer irgendwie... es gibt nur irgendein Hochwasserschaden-Problem mit der Dusche. Naja, da ich mich ja schon fast von einem vernünftigen Übernachtungsplatz verabschiedet hatte, ist das nur ein kleineres Problem. Alles ist eben relativ! Hier wird also mit einem lächelnden und einem weinenden Auge unsere Kajak-Reise nach elf Tagen enden. Zu behaupten, dass ich jede Minute genossen habe, ist vielleicht etwas übertrieben, aber insgesamt war es wunderschön und ich habe meinen Traum "Wien - Budapest im Kajak" verwirklicht. Als ich Holger das erste Mal vor vielen Jahren diesen Vorschlag gemacht habe, hat er mich noch angeguckt wie ein Auto. So ändern sich die Zeiten...

Der "Campingplatz" entpuppt sich als nettes, kleines Gärtchen in dem noch zwei Zelte von einer Kanadiertruppe stehen. Alexej - der Besitzer - ist total nett und schleppt sogar das zweite Boot (nachdem ich beim Ersten - dem Leichteren - schon fast zusammengebrochen bin) mit Holger über den Deich zur Wiese. Nach dem Blick in das Häuschen, wo das Klo sein soll, sind wir überzeugt, da irgendwas falsch verstanden zu haben - vermutlich gibt es einfach weder Klo noch Dusche... Das "Braun Haus" ist eine totale Bruchbude... Wir fragen zur Sicherheit nochmal nach: "Jaja, da drüben, Braun Haus. Wasser/Donau kaputt gemacht, aber warme Wasser und Toilette funktionieren, nur nichts gucken". Na gut, also wagen wir uns tiefer in den Schuppen hinein und tatsächlich, es ist alles völlig hinüber, die Farbe blättert von den verschimmelten und feuchten Wänden, aber es gibt Toiletten und etwas, was man als Dusche bezeichnen kann. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich der Anblick einer solch stinkenden Bruchbude das letzte Mal so glücklich gemacht hat. Alles ist eben sehr relativ!!! 

Bei unserem wohlverdienten Willkommens-Bier kommt Alexej nochmal vorbei und halt uns sein Handy mit Übersetzungs-App hin, er hatte etwas von uns nicht verstanden und bittet es, zu wiederholen. Er ist wirklich sehr nett und zeigt uns noch, in welchem der Holzhäuschen im Garten er wohnt. Wenn wir etwas brauchen, sollen wir einfach klopfen. Dann sagt er gute Nacht und wir beginnen zu kochen. Dabei beobachten wir die zahlreichen Kätzchen im Garten - es gibt drei sehr verspielte Kleine und zwei Große. Ich könnte ihnen den ganzen Abend zugucken, wie sie durch den Garten tollen und an unseren Kajaks spielen. Nach der Dusche verschwinden auch wir ins Bett - von dem wir erst die große schwarze Katze verscheuchen müssen. Sie ist unter das Außenzelt gekrochen und hat es sich von außen auf unserer Isomatte bequem gemacht - die scheint wohl nicht nur Menschen sondern auch Katzen zu gefallen.