zurückWeltuntergang im Morgengrauen

Nach einem schönen Abend in der Milford Lodge - mit Bier und Sofa, was wir nach vier Tagen Tee, Wasser und Holzbänken so richtig zu genießen wissen - werde ich nachts wach und es prasselt schon wieder auf unser Dach. Na wunderbar, ich bekomme so richtig Lust, um sechs aufzustehen, um mich in ein Kajak zu setzen. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und schicke ein paar Stoßgebete gen Himmel, in der Hoffnung, dass sie erhört werden...

Werden sie nicht. Als ich um kurz nach sechs im Dunkeln bei strömenden Regen zum Waschhaus flitze (im Rahmen meiner momentanen Moglichkeiten - das Knie nimmt mir die Wanderung noch übel), frage ich mich, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe... Wie war das doch gleich mit der zweiten Chance auf gutes Wetter am Milford Sound?!? War wohl nichts: Wieder versteckt sich der Sound vornehm in einem Nichts aus weiß und grau. Ich fühle mich von den ganzen Fotobänden, Infoflyern und Hochglanzprospekten mit ihren wunderbar sonnigen Fotos veräppelt. Was sie einem verschweigen ist, dass Milford an über 200 Tagen im Jahr eben nicht so aussieht, sondern so wie heute. Auf der Liste der nassesten Orte dieser Welt ist der Sound ganz oben mit dabei - letztes Jahr hat es hier über 9m geregnet.

Unser Kayak Guide begrüßt uns mit "You have a few options", klingt für mich nicht sonderlich vielversprechend :-/. Das Wetter ist dabei noch schlechter zu werden und die Tour fällt wieder ins Wasser, oder besser ins Gewitter. Wie zur Bestätigung ihrer Worte fängt es draußen nämlich an zu blitzen und zu donnern. Es gibt eine weitere, kleinere Tour um neun, die wir beschließen abzuwarten, ob sie stattfinden kann. Um kurz vor sieben krieche ich also wieder ins Bett, rolle mich etwas entnervt in Embryonalstellung zusammen und harre der Dinge. Immerhin komme ich so zu meinem ersten Frühstück im Bett, was Holger mir serviert.
Natürlich ist es um neun immer noch nicht besser, also fällt auch diese Tour aus. Irgendwie klappt das mit uns und dem Milford Sound nicht.
Die einzige Alternative ist also eine Touridampfer-Tour, die wir dann auch wählen. Die Frau am Schalter schlägt mir vor, doch bis mittags zu warten, momentan würde es ja so heftig regnen. Ich schaue mal kurz auf die Wasserlache, die sich derweilen durch meine tropfenden Klamotten unter mir gebildet hat und entscheide, dass das jetzt auch egal ist. Somit gehen wir um halb elf an Bord - das Schiff ist ziemlich leer (die Anderen warten wohl lieber), haben wir richtig gemacht. Milford Sound bei Sonnenschein ist sicherlich toll, aber spektakulärer ist die Szenerie beim aktuellen Wetter. Die steil aufragenden Felswände sind quasi ein einziger Wasserfall und überall stürzen sich tosende Wassermassen die Felsen herunter. Es spritzt und schäumt und unser Boot fährt mit dem Bug fast in die Wasserfälle hinein. Ich werde klatschnass beim Versuch, das Spektakel mit dem (wasserdichten!) Handy aufzunehmen. Holger versucht derweilen etwas geschützter die Kamera, die heute einiges an "Duschen" wegstecken muss, in Position zu bringen. Wir sind so beeindruckt, dass wir obwohl wir frieren die komplette Fahrt draußen an Deck verbringen. Als Zugabe taucht noch eine Horde von 20-30 neugierigen Delphinen auf, die munter in den Wellen des Bootes planschen.
Im Deep Water Observatory können wir in 10m Tiefe in einer Art überdimensionierter Tauchglocke noch farbenfrohe Fische beobachten, bevor es zurück an Land geht. Trotz (oder vielleicht auch wegen) des Wetters ist der Milford Sound so doch noch zu einem Highlight unserer Reise geworden.

Nach allgemeiner Trockenlegung machen wir uns auf Richtung Queenstown. Die ersten 2h geht es über den Milford-Te Anau-Highway, der an sich schon landschaftlich spektakulär ist. Auch hier fließt und rauscht es überall die Felswände runter und die zahlreichen Gebirgsflüsse stürzen sich über Stock und Stein zu Tal. Und - endlich kämpft sich auch die Sonne durch die graue Wolkendecke.
Das Wetter wird immer besser und am frühen Abend genießen wir die Sonne hoch oben über Queenstown bei wunderbarem Blick über den Lake Wakatipu. Allerdings sind wir diesmal faul mit der Gondel nach oben gefahren - alles andere ist für und mit meinem Knie momentan unvorstellbar :-(

Queenstown ist die erste Stadt, die wirklich Flair hat. Wir lassen es bei wunderbaren Blick auf den See und die schroffen Berge dahinter mit einer Flasche Bier an der Uferpromenade auf uns wirken. Dabei lauschen wir den Straßenmusikanten und beobachten die Enten, Möwen und Fische. Anschließend gibt es lecker indisches Essen und wir gehen feuerspuckend (gut, dass wir "nur" medium hot bestellt haben) ins Bett. (Holger: Beim nächsten mal Indisch sehe ich mir jede vermeintliche grüne Bohne seeeehr genau an...) Der Tag hört definitiv besser auf, als er angefangen hat!